Kontakt:
Prof. Dr. Matthias Nückles
Abteilung Empirische Unterrichts- und Schulforschung.
matthias.nueckles|at|ezw.uni-freiburg.de
matthias.nueckles|at|ezw.uni-freiburg.de
Die Fähigkeit, Unterricht auf Grundlage wissenschaftlich fundierter pädagogischer und didaktischer Prinzipien zu gestalten, wird immer deutlicher als Ziel der Ausbildung angehender Lehrkräfte sowohl vonseiten der Bildungsforschung als auch der Bildungspolitik gesehen. In diesem Zusammenhang wird häufig auf das Theory-Practice-Gap verwiesen, wonach die Bildungswissenschaften (Pädagogische Psychologie, Empirische Lehr-Lern-Forschung) einen großen Fundus an praxisrelevantem wissenschaftlichem Wissen erarbeitet haben, welcher aber bislang kaum Eingang die Unterrichtspraxis von Lehrkräften findet. Die Ursachen für dieses Problem sind vielfältig. Eine Hauptursache sind die spärlichen universitären Lerngelegenheiten im bildungswissenschaftlichen Bereich, die dazu führen, dass Lehrkräfte didaktische Entscheidungen im Alltag meist ohne Rückgriff auf das Wissen der Lehr-Lern-Forschung treffen. Darüber hinaus mangelt es auch an einer theoretischen Konzeption von evidenzbasierter Lehre und der jeweils spezifischen Funktion, die fachwissenschaftlichem, fachdidaktischem und bildungswissenschaftlichem Wissen in Hinblick auf die Planung und Gestaltung von Unterricht zukommt.
Kooperation: Prof. Dr. Thamar Voss und Prof. Dr. Jörg Wittwer, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Freiburg
Im ACTion-Forschungsprojekt untersuchen wir, wie die instruktionalen Phasen des Modellierens, Erklärens, Ausprobierens und Feedbackerhaltens gestaltet werden müssen, damit angehende Lehrkräfte Handlungskompetenzen optimal erwerben können. Beim Erwerb von Handlungskompetenzen fokussieren die Autoren auf sog. „Core Practices“ (McDonald et al., 2013), die als fachübergreifende, evidenzbasierte und trainierbare Tätigkeiten des Unterrichtens definiert werden. Sollen angehende Lehrkräfte erst „Core Practices“ ausprobieren und dann ein positives Modellierungsbeispiel und eine Erklärung bekommen? Oder ist es effektiver, erst ein positives Modellierungsbeispiel und eine Erklärung zu studieren, bevor sie die Core Practice ausführen? Kann der Erwerb von Core Practices durch ein vorstrukturiertes Ausprobieren im Microteaching zusätzlich gefördert werden? Welche Rolle spielt Feedback beim Kompetenzerwerb?
Zur Beantwortung dieser Fragen werden bedeutende erziehungswissenschaftliche und psychologische Instruktions- und Fertigkeitserwerbsmodelle (der „Learning Cycle“ von McDonald et al., 2013, „Productive-Failure“ von Kapur, 2008, sowie „ACT-R“ von Anderson & Schunn, 2000) in Hinblick auf zentrale theoretische Annahmen vergleichend diskutiert. Aus dieser Diskussion werden Hypothesen zur optimalen Abfolge und Gestaltung von Trainingsphasen abgeleitet, die in vier aufwändigen experimentellen Trainingsstudien geprüft werden. Die zu trainierende „Core Practice“ ist dabei das Anleiten von Schüler*innen im selbstregulierten Erschließen von Sachtexten, welche idealtypisch und evidenzbasiert durch das Lesestrategietraining „Reciprocal Teaching (RT)“ von Palinscar und Brown (1984) realisiert werden kann. Systematisch variiert wird die Komposition der Lehrtrainings sowie die Abfolge und konkrete Ausgestaltung der Trainingsphasen. Als abhängige Variablen werden das (1) konzeptuelle Wissen und die Einstellungen bzgl. RT, (2) die Kompetenz zur professionellen Wahrnehmung von RT-Teaching-Situationen, sowie (3) die Kompetenz, RT mit Schüler*innen fachgerecht durchzuführen, erfasst.
Das Projekt dient der empirischen Untersuchung prominenter Instruktions- und Fertigkeitserwerbsansätze aus erziehungswissenschaftlich geprägter Lehrkräfteforschung und kognitionspsychologischer Lehr-Lernforschung. Bislang finden sich für diese Ansätze keine Studien im Bereich der Lehrkräfteforschung, die die Instruktionsphasen des Erklärens, Modellierens, Ausprobierens und Feedbackerhaltens systematisch und kontrolliert variieren und die Lernwirkung auf Ebene des Wissens, der professionellen Wahrnehmung und der Handlungskompetenz untersuchen. Auf theoretischer Ebene leistet das Projekt einen Beitrag zur theoretischen Integration von Ansätzen, die bislang in getrennten „Scientific Communities“ behandelt wurden. In praktischer Hinsicht werden evidenzbasierte Empfehlungen erarbeitet, wie kompetenzorientierte Lehrtrainings in der Ausbildung angehender Lehrkräfte gestaltet werden sollten.
Kontakt: Prof. Dr. Matthias Nückles, Hadmut Hipp (Lehrerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin), Prof. Dr. Marc Kleinknecht, Anna Holstein (wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Finanzierung: Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG)
Lehren kann aus wissenschaftstheoretischer Perspektive als komplexes Problemlösen konzipiert werden (Lampert, 1985; Wegner, Anders, & Nückles, 2014). Dies bedeutet, dass es bei der Planung von Unterricht grundsätzlich verschiedene didaktische Möglichkeiten gibt, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, und man daher abwägen können muss, welche Strategie oder Kombination aus Strategien sich vermutlich als am günstigsten erweisen wird. Weitgehend unerforscht ist, wie diese Fähigkeit, das eigene didaktische Handeln unter Rückgriff auf wissenschaftliches Wissen zu begründen, angehenden Lehrkräften vermittelt werden kann. Daher haben wir ein theoretisches Modell entwickelt, welches die Prozesse didaktischer Argumentationskompetenz spezifiziert. Das Modell basiert auf der Argumentationstheorie von Toulmin (1958, 2003) und greift wissenschaftstheoretische Überlegungen zum Theorie-Praxis-Problem in der Psychotherapieforschung auf, insbesondere die Unterscheidung epistemologischer Aussagentypen nach Bunge (1966; vgl. Perrez, 1998). Auf Basis dieses Modells entwickeln wir Selbstlernmaterialien (E-Portfolio-Aufgaben, Lösungsbeispiele, Tutorials) und testen diese im Rahmen von Interventionsstudien mit dem Ziel, angehenden Lehrkräften didaktisches Argumentieren zu vermitteln.
Kontakt: Roland Ebert-Glang und Prof. Dr. Matthias Nückles
Finanzierung: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der 2. Förderphase des Freiburger Verbundprojekts Researching Practice – Practicing Research in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung
Schuba, C., & Nückles, M. (2020). “Teachers as informed pragmatists”: Supporting preservice history teachers’ didactic reasoning by argumentative writing [Paper presentation]. Annual Meeting of the American Educational Research Association, San Francisco, CA, United States of America.
Nückles, M., & Schuba, C. (2019). „Teachers as Informed Pragmatists“ – ein theoretisches Modell und empirische Befunde zur Förderung didaktischer Argumentationskompetenz von angehenden Lehrkräften. In BMBF (Hrsg.), Profilbildung im Lehramtsstudium. Beiträge der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ zur individuellen Orientierung, curricularen Entwicklung und institutionellen Verankerung (S. 132–142). BMBF.
Die Fähigkeit, die Schwierigkeit von Aufgaben für Schüler*innen einschätzen zu können, ist eine wichtige Facette diagnostischer Kompetenz. Lehrkräfte benötigen dazu einerseits fachdidaktisches Wissen über schwierigkeitsgenerierende Merkmale von Aufgaben (Ostermann, Leuders & Nückles, 2015). Andererseits sollten sie auch pädagogisch-psychologische Prinzipien zur didaktischen Gestaltung von Aufgaben heranziehen, wie sie aus der Cognitive Load Theory (CLT) abgeleitet und vielfach empirisch belegt worden sind (z.B. integriertes Format, Lösungsbeispiele und Zwischenziele, vgl. Sweller, Ayres, & Kalyuga, 2011). Beziehen Mathematiklehrkräfte, wenn sie die Schwierigkeit von Aufgaben für Schüler*innen beurteilen, diese evidenzbasierten CLT-Prinzipien mit ein? Dieser Frage gehen wir in empirischen Studien nach, in denen wir angehenden und berufstätigen Lehrkräften nach den Prinzipien der Cognitive Load Theory didaktisch optimierte (z.B. mit integriertem Format) und nicht optimierte Mathematikaufgaben (z.B. Split-Attention-Format) vorlegen und die Teilnehmer*innen bitten, einzuschätzen, wie schwer die Aufgaben für Schüler*innen vermutlich zu lösen sind. Diese Einschätzungen vergleichen wir dann mit den empirisch ermittelten tatsächlichen Aufgabenschwierigkeiten.
Kontakt: Prof. Dr. Matthias Nückles
Kooperation: Prof. Dr. Timo Leuders (Pädagogische Hochschule Freiburg)
Finanzierung: Eigenmittel sowie Förderung im Rahmen des vom Land Baden-Württemberg finanzierten Promotionskollegs „Fachbezogene Pädagogische Kompetenzen und Wissenschaftsverständnis – Pädagogische Professionalität in Mathematik und Naturwissenschaften (ProMatNat, Sprecher: Prof. Dr. Matthias Nückles und Prof. Dr. Timo Leuders)
Wagner, S., Bauersfeld, J., & Nückles, M. (2020). Berücksichtigen Mathematiklehrkräfte pädagogisch-psychologische Evidenz zur Theorie der kognitiven Belastung, wenn sie die Schwierigkeit von Mathematikaufgaben für Schüler*innen beurteilen? Vortrag angenommen bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung, Potsdam.
Lachner, A., Weinhuber, M., & Nückles, M. (2019). To teach or not to teach the conceptual structure of mathematics? Teachers undervalue the potential of principle-oriented explanations. Contemporary Educational Psychology, 58, 175–185. https://doi.org/10.1016/j.cedpsych.2019.03.008
Ostermann, A., Leuders, T., & Nückles, M. (2018). Improving the judgment of task difficulties: Prospective teachers’ diagnostic competence in the area of functions and graphs. Journal of Mathematics Teacher Education, 21, 579–605. https://doi.org/10.1007/s10857-017-9369-z
Ostermann, A., Leuders, T., & Nückles, M. (2015). Wissen, was Schülerinnen und Schülern schwerfällt. Welche Faktoren beeinflussen die Schwierigkeitseinschätzung von Mathematikaufgaben? Journal für Mathematikdidaktik, 36, 45–76. https://doi.org/10.1007/s13138-015-0073-1
Hellmann, K., & Nückles, M. (2013). Expert blind spot in pre-service and in-service math-ematics teachers: Task design moderates overestimation of novices’ performance. In M. Knauff, M. Pauen, N. Sebanz, & I. Wachsmuth (Eds.), Proceedings of the 35th Annual Conference of the Cognitive Science Society (pp. 2518–2523). Cognitive Science Society.