Kontakt
Prof. Dr. Matthias Nückles
Abteilung Empirische Unterrichts- und Schulforschung.
matthias.nueckles|at|ezw.uni-freiburg.de
matthias.nueckles|at|ezw.uni-freiburg.de
Erklärungen sind allgegenwärtig im Unterricht. Fragt man Schüler*innen, was eine gute Lehrkraft auszeichnet, erhält man typischerweise die Antwort: „Das ist jemand, der bzw. die gut erklären kann“. Erklären kann insofern als eine Kernkompetenz von Lehrenden verstanden werden. Erklärungen spielen aber auch außerhalb des schulischen Unterrichts eine wichtige Rolle. Erklärungen für unverstandene Ereignisse und Phänomene zu geben oder zu bekommen, ist ein Grundbedürfnis des Menschen und die Triebfeder für naturwissenschaftliche, metaphysische und theologische Erkenntnisbemühungen. Trotz ihrer Allgegenwärtigkeit im Unterricht sind Erklärungen vergleichsweise wenig erforscht. Aus diesem Grund haben wir ein Forschungsprogramm begonnen, in dem wir Merkmale und Prozesse beim Produzieren lernförderlicher Erklärungen untersuchen.
Ziel dieses Projekts ist es, die Effektivität des „Lernens durch Erklären“ als Unterrichtsmethode zur Erleichterung des Lernens von Schülern in einer Stichprobe von Sekundarschülern in akademischen Schulen (sozialwissenschaftliches Gymnasium) in Süddeutschland zu untersuchen. Wir führen ein randomisiert-kontrolliertes Experiment mit einem 2 x 2 Design durch (Prompts: mit oder ohne; Modalität der Erklärungen: mündlich oder schriftlich). Das Experiment wird in den folgenden fünf Phasen durchgeführt. In der ersten Phase (Pre-Test-Phase) machen alle Studierenden einen Test über den Lerninhalt (15 Minuten). In der zweiten Phase (Vorlesungsphase) werden die Studierenden 30 Minuten lang in die Theorie der psychologischen Theorie eingeführt. In der dritten Phase (Lernphase) werden die Studierenden nach dem Zufallsprinzip entweder einer Kontrollbedingung zugewiesen, in der die Studierenden den Text über den Lerninhalt lesen, um das gerade gelernte Material erneut zu studieren, oder einer der vier experimentellen Bedingungen, in denen die Studierenden aufgefordert werden, mit der Erwartung zu lernen, dass sie das gelernte Konzept später einem anderen Teilnehmer erklären (Lernen durch Erklären). Unter den vier Versuchsbedingungen erhalten zwei Bedingungen „Prompts“, während die anderen beiden keine Prompts erhalten. Die Prompts sollen den Schülern helfen, wirksame kognitive und metakognitive Strategien anzuwenden, um ihre selbstgesteuerten Lernprozesse zu erleichtern. In der vierten Phase (Überarbeitungsphase) können die Schüler in den Versuchsbedingungen die Erklärungen, die sie entweder geschrieben oder als Sprache aufgezeichnet haben, überarbeiten, um ihre Erklärungen zu vervollständigen (30 Minuten). In der letzten Phase (Post-Test-Phase) werden alle Schüler erneut auf ihr Wissen über das gelernte Konzept getestet (45 Minuten). Wir gehen davon aus, dass alle Versuchsgruppen signifikant besser abschneiden als die Kontrollgruppe, was die Effektivität der Methode „Lernen durch Erklären“ auf die Lernergebnisse der Schüler bestätigt. Außerdem erwarten wir, dass Schüler, die Prompts erhalten, im Test besser abschneiden als diejenigen, die keine Prompts erhalten (Haupteffekte der Prompts), und dass Schüler, die mündliche Erklärungen erhalten, besser abschneiden als diejenigen, die schriftliche Erklärungen erhalten (Haupteffekte der Modalität). Schließlich untersuchen wir das Zusammenspiel zwischen den Prompts und der Modalität auf die Lernergebnisse der Schüler (Interaktionseffekt). Im Rahmen dieses Projekts werden die Ergebnisse früherer Untersuchungen zum „Lerntagebücher“ validiert, wobei zum ersten Mal ein Rahmen für „Lernen durch Erklären“ verwendet wird. Wir werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Wirksamkeit dieser beiden etablierten und leicht umsetzbaren Unterrichtsmethoden diskutieren und Vorschläge für die praktische Anwendung in Bildungseinrichtungen machen.
Kontakt: Prof. Dr. Matthias Nückles, Dr. Ai Miyamoto, Florian Luft
Finanzierung: MWK Baden-Württemberg (Ministerium für Wissenschaft und Kunst)
Erklärungen zu mathematischen Aufgaben sollten prinzipienorientiert gestaltet sein, d.h. es sollten nicht lediglich die Lösungsschritte skizziert werden, sondern die Lehrkraft sollte auch erläutern, warum ein bestimmter Lösungsschritt notwendig ist. Solche prinzipienorientierten Erklärungen erleichtern es Schüler*innen, den tieferen Sinn der Lösungsschritte zu verstehen und so flexibel anwendbares Mathematikwissen zu erwerben. Nun hat jedoch die TIMSS-Video-Studie zum Mathematikunterricht Hinweise erbracht, wonach Lehrkräfte entgegen ihrer anfänglichen Intention im Verlaufe einer Mathematikstunde zunehmend prozedural statt prinzipienorientiert erklären, d.h. sich auf die bloße Vermittlung von Lösungsschritten ohne Diskussion des Warums beschränken. Unsere Hypothese ist, dass die Absicht, welche eine Lehrkraft beim Erklären verfolgt, leicht durch Einflüsse der Unterrichtssituation modifiziert werden kann, etwa wenn die Schüler*innen Desinteresse oder Überforderung in Bezug auf eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Lernstoff signalisieren. Solche Einflüsse können sogar unbewusst wirken, d.h. die Lehrkraft merkt gar nicht, dass sie sich durch die Unterrichtssituation und das Verhalten der Schülerinnen und Schüler beeinflussen lässt. Zur Prüfung dieser Beeinflussbarkeits-Hypothese führen wir Experimente durch, in denen wir versuchen, bei Lehrkräften eine prozedurale oder prinzipienorientierte Denkweise über Mathematiklehren zu evozieren. Die bisher durchgeführten Experimente zeigen, dass die jeweils nahegelegte Denkweise tatsächlich das Handeln beeinflusst, die Lehrkräfte also stärker prozedurale oder stärker prinzipienorientierte Erklärungen geben, ohne sich dessen bewusst zu sein. In weiterführenden Studien wollen wir nun versuchen, diese Befunde aus dem Labor in unterrichtsnahen Situationen unter realistischen Bedingungen zu replizieren.
Kontakt: Prof. Dr. Matthias Nückles
Finanzierung: Eigenmittel sowie Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Promotionskollegs CURIOUS (Curriculum, Instruktion und Lernprozess) als Teil des Freiburger Projekts in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung (Sprecher: Prof. Matthias Nückles und Prof. Timo Leuders)
Nückles, M., Weinhuber, M., & Lachner, A. (2019, August 12–16). The impact of mindset-priming on student teachers’ written and oral explanations in mathematics [Paper presentation]. 18th Biennial Conference of the European Association for Research on Learning and Instruction (EARLI), Aachen, Germany.
Weinhuber, M., Lachner, A., Leuders, T., & Nückles, M. (2019). Mathematics is practice or argumentation: Mindset priming impacts principle- and procedure-orientation of teachers’ explanations. Journal of Experimental Psychology: Applied, 25, 618–646. https://doi.org/10.1037/xap0000227
Lachner, A., & Nückles, M. (2016). Tell me why! Content knowledge predicts process-orientation of math researchers’ and math teachers’ explanations. Instructional Science, 44, 221–242. https://doi.org/10.1007/s11251-015-9365-6
Die Fähigkeit, das im Studium erworbene Fachwissen anderen zu vermitteln, wird heutzutage in vielen Berufen von Hochschulabsolvent*innen verlangt. Das Formulieren verständlicher Erklärungen fällt allerdings den meisten Studierenden – als Novizen bei der Formulierung von Erklärungen – schwer und erfordert daher viel Übung. Eine Hauptschwierigkeit beim Schreiben ist das Herstellen von Kohäsion, also die Fähigkeit, so zu formulieren, dass es Leser*innen ohne spezielles Vorwissen leichtfällt, die Bedeutungen der einzelnen Sätze miteinander zu verbinden und einen roten Faden im Text zu erkennen. Ausgehend von Experten-Novizen-Studien in der Medizin haben wir das webbasierte Feedbacktool CohViz entwickelt, welches Schreibenden automatisiert Feedback über die Kohäsion ihrer selbst verfassten Texte gibt und Kohäsionslücken grafisch sichtbar macht. In mehreren Experimenten konnten wir zeigen, dass CohViz-Feedback Studierenden hilft, die Kohäsion und damit zugleich die Verständlichkeit der von ihnen verfassten Erklärungen zu fachlichen Themen zu verbessern. Unsere derzeitigen Forschungsarbeiten zu CohViz beziehen sich auf die Fragen, wie valide und reliabel CohViz das linguistische Textmerkmal Kohäsion erfasst und wie instruktionale Maßnahmen, beispielsweise die räumliche Integration oder Signaling-Techniken, spezifische Komponenten der Textkohäsion fördern.
Kontakt: Christian Burkhart
Kooperation: Jun.-Prof. Dr. Andreas Lachner (Universität Tübingen)
Finanzierung: Eigenmittel, Förderung des Landes Baden-Württemberg im Rahmen der Förderlinie „Lehrerbildung in Baden-Württemberg“, sowie Förderung durch die Wissenschaftliche Gesellschaft Freiburg
Burkhart, C., Lachner, A., & Nückles, M. (2020). Using spatial contiguity and signaling to optimize visual feedback on students’ written explanations. Journal of Educational Psychology. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/edu0000607
Burkhart, C., Lachner, A., & Nückles M. (2020) Assisting students’ writing with computer-based concept map feedback: A validation study of the CohViz feedback system. PloS ONE 15: e0235209. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0235209
Lachner, A., Backfisch, I., & Nückles, M. (2018). Does the accuracy matter? Accurate concept map feedback helps students improve the cohesion of their explanations. Educational Technology Research & Development, 66, 1051–1067. https://doi.org/10.1007/s11423-018-9571-4
Lachner, A., Burkhart, C., & Nückles, M. (2017). Mind the gap! Automated concept-map feedback supports students in writing cohesive explanations. Journal of Experimental Psychology. Applied, 23, 29–46. https://doi.org/10.1037/xap0000111
Lachner, A., Burkhart, C., & Nückles, M. (2017). Formative computer-based feedback in the university classroom: Specific concept maps scaffold students’ writing. Computers in Human Behavior, 72, 459–469. https://doi.org/10.1016/j.chb.2017.03.008
Lachner, A., & Nückles, M. (2015). Bothered by abstractness or engaged by cohesion? Experts’ explanations enhance novices’ deep-learning. Journal of Experimental Psychology: Applied, 21, 101–115. https://doi.org/10.1037/xap0000038