Kontakt
Prof. Dr. Matthias Nückles
Abteilung Empirische Unterrichts- und Schulforschung
matthias.nueckles|at|ezw.uni-freiburg.de
matthias.nueckles|at|ezw.uni-freiburg.de
Erklärungen sind allgegenwärtig im Unterricht. Fragt man Schüler*innen, was eine gute Lehrkraft auszeichnet, erhält man typischerweise die Antwort: „Das ist jemand, der bzw. die gut erklären kann“. Erklären kann insofern als eine Kernkompetenz von Lehrenden verstanden werden. Erklärungen spielen aber auch außerhalb des schulischen Unterrichts eine wichtige Rolle. Erklärungen für unverstandene Ereignisse und Phänomene zu geben oder zu bekommen, ist ein Grundbedürfnis des Menschen und die Triebfeder für naturwissenschaftliche, metaphysische und theologische Erkenntnisbemühungen. Trotz ihrer Allgegenwärtigkeit im Unterricht sind Erklärungen vergleichsweise wenig erforscht. Aus diesem Grund haben wir ein Forschungsprogramm begonnen, in dem wir Merkmale und Prozesse beim Produzieren lernförderlicher Erklärungen untersuchen.
Erklärungen zu mathematischen Aufgaben sollten prinzipienorientiert gestaltet sein, d.h. es sollten nicht lediglich die Lösungsschritte skizziert werden, sondern die Lehrkraft sollte auch erläutern, warum ein bestimmter Lösungsschritt notwendig ist. Solche prinzipienorientierten Erklärungen erleichtern es Schüler*innen, den tieferen Sinn der Lösungsschritte zu verstehen und so flexibel anwendbares Mathematikwissen zu erwerben. Nun hat jedoch die TIMSS-Video-Studie zum Mathematikunterricht Hinweise erbracht, wonach Lehrkräfte entgegen ihrer anfänglichen Intention im Verlaufe einer Mathematikstunde zunehmend prozedural statt prinzipienorientiert erklären, d.h. sich auf die bloße Vermittlung von Lösungsschritten ohne Diskussion des Warums beschränken. Unsere Hypothese ist, dass die Absicht, welche eine Lehrkraft beim Erklären verfolgt, leicht durch Einflüsse der Unterrichtssituation modifiziert werden kann, etwa wenn die Schüler*innen Desinteresse oder Überforderung in Bezug auf eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Lernstoff signalisieren. Solche Einflüsse können sogar unbewusst wirken, d.h. die Lehrkraft merkt gar nicht, dass sie sich durch die Unterrichtssituation und das Verhalten der Schülerinnen und Schüler beeinflussen lässt. Zur Prüfung dieser Beeinflussbarkeits-Hypothese führen wir Experimente durch, in denen wir versuchen, bei Lehrkräften eine prozedurale oder prinzipienorientierte Denkweise über Mathematiklehren zu evozieren. Die bisher durchgeführten Experimente zeigen, dass die jeweils nahegelegte Denkweise tatsächlich das Handeln beeinflusst, die Lehrkräfte also stärker prozedurale oder stärker prinzipienorientierte Erklärungen geben, ohne sich dessen bewusst zu sein. In weiterführenden Studien wollen wir nun versuchen, diese Befunde aus dem Labor in unterrichtsnahen Situationen unter realistischen Bedingungen zu replizieren.
Kontakt: Prof. Dr. Matthias Nückles
Finanzierung: Eigenmittel sowie Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Promotionskollegs CURIOUS (Curriculum, Instruktion und Lernprozess) als Teil des Freiburger Projekts in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung (Sprecher: Prof. Matthias Nückles und Prof. Timo Leuders)
Nückles, M., Weinhuber, M., & Lachner, A. (2019, August 12–16). The impact of mindset-priming on student teachers’ written and oral explanations in mathematics [Paper presentation]. 18th Biennial Conference of the European Association for Research on Learning and Instruction (EARLI), Aachen, Germany.
Weinhuber, M., Lachner, A., Leuders, T., & Nückles, M. (2019). Mathematics is practice or argumentation: Mindset priming impacts principle- and procedure-orientation of teachers’ explanations. Journal of Experimental Psychology: Applied, 25, 618–646. https://doi.org/10.1037/xap0000227
Lachner, A., & Nückles, M. (2016). Tell me why! Content knowledge predicts process-orientation of math researchers’ and math teachers’ explanations. Instructional Science, 44, 221–242. https://doi.org/10.1007/s11251-015-9365-6
Die Fähigkeit, das im Studium erworbene Fachwissen anderen zu vermitteln, wird heutzutage in vielen Berufen von Hochschulabsolvent*innen verlangt. Das Formulieren verständlicher Erklärungen fällt allerdings den meisten Studierenden – als Novizen bei der Formulierung von Erklärungen – schwer und erfordert daher viel Übung. Eine Hauptschwierigkeit beim Schreiben ist das Herstellen von Kohäsion, also die Fähigkeit, so zu formulieren, dass es Leser*innen ohne spezielles Vorwissen leichtfällt, die Bedeutungen der einzelnen Sätze miteinander zu verbinden und einen roten Faden im Text zu erkennen. Ausgehend von Experten-Novizen-Studien in der Medizin haben wir das webbasierte Feedbacktool CohViz entwickelt, welches Schreibenden automatisiert Feedback über die Kohäsion ihrer selbst verfassten Texte gibt und Kohäsionslücken grafisch sichtbar macht. In mehreren Experimenten konnten wir zeigen, dass CohViz-Feedback Studierenden hilft, die Kohäsion und damit zugleich die Verständlichkeit der von ihnen verfassten Erklärungen zu fachlichen Themen zu verbessern. Unsere derzeitigen Forschungsarbeiten zu CohViz beziehen sich auf die Fragen, wie valide und reliabel CohViz das linguistische Textmerkmal Kohäsion erfasst und wie instruktionale Maßnahmen, beispielsweise die räumliche Integration oder Signaling-Techniken, spezifische Komponenten der Textkohäsion fördern.
Kontakt: Christian Burkhart
Kooperation: Jun.-Prof. Dr. Andreas Lachner (Universität Tübingen)
Finanzierung: Eigenmittel, Förderung des Landes Baden-Württemberg im Rahmen der Förderlinie „Lehrerbildung in Baden-Württemberg“, sowie Förderung durch die Wissenschaftliche Gesellschaft Freiburg
Burkhart, C., Lachner, A., & Nückles, M. (2020). Using spatial contiguity and signaling to optimize visual feedback on students’ written explanations. Journal of Educational Psychology. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/edu0000607
Burkhart, C., Lachner, A., & Nückles M. (2020) Assisting students’ writing with computer-based concept map feedback: A validation study of the CohViz feedback system. PloS ONE 15: e0235209. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0235209
Lachner, A., Backfisch, I., & Nückles, M. (2018). Does the accuracy matter? Accurate concept map feedback helps students improve the cohesion of their explanations. Educational Technology Research & Development, 66, 1051–1067. https://doi.org/10.1007/s11423-018-9571-4
Lachner, A., Burkhart, C., & Nückles, M. (2017). Mind the gap! Automated concept-map feedback supports students in writing cohesive explanations. Journal of Experimental Psychology. Applied, 23, 29–46. https://doi.org/10.1037/xap0000111
Lachner, A., Burkhart, C., & Nückles, M. (2017). Formative computer-based feedback in the university classroom: Specific concept maps scaffold students’ writing. Computers in Human Behavior, 72, 459–469. https://doi.org/10.1016/j.chb.2017.03.008
Lachner, A., & Nückles, M. (2015). Bothered by abstractness or engaged by cohesion? Experts’ explanations enhance novices’ deep-learning. Journal of Experimental Psychology: Applied, 21, 101–115. https://doi.org/10.1037/xap0000038